13. Mai 2025
In einer Zeit, in der der deutsche Werkzeugbau vor enormen Herausforderungen steht, wird die Frage nach der optimalen Wissensvermittlung immer wichtiger. Wir haben mit Dr.-Ing. David Welling, Geschäftsführer der WBA Aachener Werkzeugbau Akademie, über die digitale Transformation der Branche gesprochen und dabei auch die Rolle moderner Weiterbildungskonzepte beleuchtet.
Herr Welling, der deutsche Werkzeugbau steht unter enormem internationalen Wettbewerbsdruck. Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation?
Dr.-Ing David Welling: Die Lage ist tatsächlich herausfordernd. Hohe Faktorkosten am Standort Deutschland veranlassen viele Unternehmen, Werkzeuge im Ausland zu beschaffen. Die Umsatzrendite in der Branche liegt durchschnittlich bei nur etwa 3%. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, braucht es eine fundamentale Transformation – weg vom traditionellen Handwerk, hin zum digital vernetzten, hochautomatisierten Werkzeugbau.
Was bedeutet diese digitale Transformation konkret für die Unternehmen?
Es geht um weit mehr als nur einzelne digitale Tools einzuführen. Wir sprechen von einer umfassenden Neuausrichtung, die wir als „Smart Manufacturing“ bezeichnen. Dieser Ansatz integriert Technologien wie IoT, Künstliche Intelligenz und Automatisierung, um die Effizienz und Qualität der Fertigungsprozesse erheblich zu steigern. Die Digitalisierung schaut zunächst Transparenz über alle Prozesse. Diese Transparenz ist die Grundlage, um Ineffizienzen zu erkennen und gezielt zu beseitigen. In einem zweiten Schritt ermöglicht sie die Automatisierung von Routineaufgaben, was wiederum Kapazitäten für wertschöpfende Tätigkeiten freisetzt.
Welche Bereiche des Werkzeugbaus profitieren besonders von der Digitalisierung?
Die gesamte Wertschöpfungskette wird transformiert, aber einige Bereiche stechen heraus. In der CAM-Programmierung beispielsweise sehen wir enormes Potenzial. Eine zentrale, optimierte CAM-Programmierung ist bei 70,5% der besten Werkzeugbaubetriebe Standard und reduziert nicht nur die Fertigungszeit, sondern senkt auch effektiv die Kosten.
Ein weiterer Schlüsselbereich ist die Werkzeuginstandhaltung. Etwa 60% der Unternehmen bewerten ihren Einfluss auf den Unternehmenserfolg als sehr hoch. Durch digitale Dokumentation und datengestützte Analysen können Ausfallzeiten minimiert und die Werkzeuglebensdauer deutlich verlängert werden.
Wie weit ist die Branche bei der Automatisierung fortgeschritten?
Der Automatisierungsgrad bei Fräsmaschinen in Werkzeugbaubetrieben der DACH-Region liegt bei etwa 56,5%. Das zeigt: Viele haben den ersten Schritt bereits gemacht, aber es gibt noch erhebliches Potenzial. Die Herausforderung liegt oft nicht in der Technologie selbst, sondern in der strategischen Implementierung. Viele Betriebe investieren punktuell in einzelne Automatisierungslösungen, ohne eine durchgängige Strategie zu verfolgen. Was fehlt, ist eine klare Roadmap hin zum vollautomatisierten Werkzeugbau, die alle Prozessschritte berücksichtigt und die digitale Vernetzung als Grundlage nutzt.
Welche Rolle spielt die Datenerfassung und -analyse in diesem Transformationsprozess?
Sie ist das Herzstück der digitalen Transformation. Im Werkzeugbau fallen zunehmend wertvolle Daten rund um einzelne Werkzeuge an – von der Konstruktion über die Fertigung bis hin zur Nutzung beim Kunden. Diese Daten bieten enormes Potenzial, sind aber häufig über verschiedene Softwaresysteme verteilt und schwer kombinierbar. Ein Schlüsselkonzept ist die digitale Werkzeugakte, die Daten über den gesamten Werkzeuglebenszyklus hinweg zentral zusammenführt. Sie schaut Transparenz, ermöglicht Optimierungen und bildet die Basis für datenbasierte Dienstleistungen und neue Geschäftsmodelle. So kann der Werkzeugbau vom reinen Produzenten zum Lösungsanbieter werden, der seinen Kunden einen echten Mehrwert bietet.
Apropos neue Geschäftsmodelle – wie verändert die Digitalisierung die Kundenbeziehungen im Werkzeugbau?
Fundamental. Traditionell endete die Verantwortung des Werkzeugbaus oft mit der Auslieferung des Werkzeugs. Im Zeitalter der digitalen Vernetzung können Werkzeugbauer jedoch zu echten Partnern ihrer Kunden werden, die über den gesamten Lebenszyklus des Werkzeugs Mehrwert bieten. Stellen Sie sich vor: Ein Werkzeug, das mit Sensoren ausgestattet ist, liefert kontinuierlich Daten über seinen Zustand und seine Performance. Der Werkzeugbauer kann diese Daten auswerten und dem Kunden proaktiv Wartungsempfehlungen geben, bevor es zu Ausfällen kommt. Er kann Optimierungspotenziale identifizieren und umsetzen. Und er kann all diese Erkenntnisse in die Entwicklung neuer, noch besserer Werkzeuge einfließen lassen. Diese Art von datenbasierten Dienstleistungen schaut eine Win-win-Situation: Der Kunde profitiert von höherer Produktivität und Planungssicherheit, der Werkzeugbauer von langfristigen Kundenbeziehungen und neuen Einnahmequellen.
Was sind die größten Hürden bei der digitalen Transformation im Werkzeugbau?
Die größte Herausforderung ist oft nicht technischer, sondern kultureller Natur. Der Werkzeugbau ist traditionell stark handwerklich geprägt, mit einem hohen Stellenwert von Erfahrungswissen und individueller Expertise. Die Umstellung auf standardisierte, datengetriebene Prozesse erfordert ein Umdenken auf allen Ebenen. Hinzu kommt der Fachkräftemangel. Die Digitalisierung erfordert neue Kompetenzen, die in vielen Betrieben noch nicht ausreichend vorhanden sind. Gleichzeitig steht die Branche vor einem demografischen Wandel: Viele erfahrene Fachkräfte werden in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen, und ihr Wissen muss gesichert werden. Die gute Nachricht ist: Die Digitalisierung kann bei beiden Herausforderungen helfen. Sie macht den Werkzeugbau attraktiver für junge Talente und ermöglicht gleichzeitig die systematische Erfassung und Weitergabe von Erfahrungswissen.
Zum Abschluss: Wie sieht Ihre Vision für den Werkzeugbau der Zukunft aus?
Ich sehe einen Werkzeugbau, der das Beste aus zwei Welten vereint: die handwerkliche Exzellenz und das tiefe Prozessverständnis, für das der deutsche Werkzeugbau bekannt ist, kombiniert mit den Möglichkeiten der digitalen Vernetzung und Automatisierung. In diesem Werkzeugbau der Zukunft werden Routineaufgaben weitgehend automatisiert sein, während sich die Mitarbeiter auf komplexe, wertschöpfende Tätigkeiten konzentrieren. Daten werden systematisch erfasst, analysiert und für kontinuierliche Verbesserungen genutzt. Und die Beziehung zum Kunden wird sich vom reinen Lieferanten zum strategischen Partner wandeln, der über den gesamten Lebenszyklus des Werkzeugs Mehrwert bietet. Diese Transformation ist kein Selbstzweck, sondern eine Notwendigkeit, um den Werkzeugbaustandort Deutschland langfristig zu sichern. Die Unternehmen, die diesen Weg jetzt konsequent gehen, werden nicht nur überleben, sondern gestärkt aus dem Strukturwandel hervorgehen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Neben der digitalen Transformation spielt auch die Weiterbildung eine entscheidende Rolle, um den Werkzeugbau zukunftsfähig zu machen. Die WBA Aachener Werkzeugbau Akademie bietet ein breites Spektrum an Weiterbildungsangeboten, die speziell auf die Bedürfnisse der Branche zugeschnitten sind. Von praxisnahen Grundlagenkursen bis hin zu individuell abgestimmten Intensivkursen – hier finden Unternehmen die Unterstützung, die sie für die Herausforderungen der Zukunft benötigen. Besuchen Sie die Weiterbildungsübersicht und erfahren Sie mehr über die Möglichkeiten im Bereich Werkzeugbau.